18. Februar 2013

Ich - Einzigartiges Selbst - Urgrund allen Seins - Ein Dialog - II

Liebe E.M.


Das Wochenende war nicht zum Schreiben geeignet. Am Samstagvormittag unternahm ich meine übliche Fribourger Stadtwanderung, und am Nachmittag besuchte ich den reizvollen Film "Alceste à Bicyclettes", ein Karriereschauspieler und ein ausgestiegener Kollege steigen in die Molière-Dialoge zwischen Alceste und Philinte (Misanthrope) ein ... Parallel dazu habe ich ein eher schwaches Theaterstück von Eric-Emmanuel Schmidt gelesen: Der Darsteller von Alceste, ein freundlicher und toleranter Mensch, bereitet sich in seiner Garderobe auf seinen Auftritt als Alceste vor; da tritt ihm aus dem Spiegel sein Ebenbild als wirklicher Misanthrope entgegen, und es ergibt sich ein interessanter, ab letztlich nicht weiterführender Dialog. Gestern dann in Genf: eine wunderbare, berührende Traviata, mit hervorragenden Sängern, frei von Starkult. Berührend. 
Und nun sind wir schon wieder in Zürich, und ich versuche mal eine Fortsetzung unseres Dialogs.

 Du schreibst, dass die - oft störende - Konditionierung einerseits ein Schutz vor Überforderung sei, andererseits zugleich ein Aufruf, stetig an diesem unserem Ziel Schritt für Schritt weiter zu arbeiten. Wie Du Dir vorstellen kannst, macht mich der erste Teil des Satzes hellhörig. Das Thema ist so ungeheuer vielschichtig. Die Funktion der Konditionierung und ihre Wertung scheint mir ganz nah mit der Evolution des Bewusstseins verwoben zu sein. Je nachdem, aus welcher Ebene wir schauen, kann die gleiche Konditionierung überlebensnotwendig, zerstörerisch oder als Aspekt des Spiels der Bewusstseinsentfaltung trotz - oder gerade dank - grösster Grausamkeit Auslöser eines neuen Bewusstseinsschubs sein. Dabei macht es wieder einen Unterschied, ob wir die Sicht auf das Individuum beschränken oder auf die mit der Evolution an breite gewinnende Gruppe ausdehnen. Was für das Heranwachsen des Einzelnen förderlich sein mag, kann sich durch den Druck der Gruppe ins Gegenteil wenden.


Frühe Horden des homo sapiens und seiner Vorgänger brauchten eine auf Konditionierung der Triebe - vorab der Sexualität - basierende soziale Ordnung. Wer durch sein Verhalten den Zusammenhalt der Gemeinschaft gefährdete, hatte mit dem (fast sicher tödlichen) Ausschluss zu rechnen. Mit dem Übergang vom archaischen ins magische Bewusstsein (nach Jean Gebser, Ken Wilber u.a.) wurde die strafende Macht auf Gottesbilder projiziert, mit deren Entzauberung wurde die Drohung mit der Strafe für das Übertreten der Ordnung auf die Gesellschaft verlegt ("was denken die andern"). Wenn ich heute in der Zeitung lese, dass der US-Staat Virgina daran sei, das Konkubinat zu erlauben, aber zugleich den Sex ohne Ehe weiterhin unter Strafe belasse, oder neu Sexualität auch bei angelassenem Licht erlaube, aber Sex im Auto verbiete oder jemanden mit dem Auto zu einer unzüchtigen Handlung zu fahren, bestrafe, dann sehe ich, wie auch in sogenannt zivilisierten Ländern die uralten Mechanismen nur schwer zu überwinden sind. Und jetzt bedenken wir, wie nur allein dieser Aspekt des menschlichen Lebens nicht nur menschliche Schicksale prägt (gestern: La Traviata = die, die den Weg verlassen hat), sondern letztlich hinter global wirksamen politischen Entscheidungen bis hin zu den grössten Katastrophen steht, weiss ich nicht, ob ich Konditionierung gut finden kann. - 
Oder doch, wenn ich radikal die Ebene wechsle und alles, aber auch alles als kosmisches Spiel der Evolution sehe, wo sich überbietendes Grauen geschieht, bis zu dem schon einmal beschworenen "Nie mehr so!" Aber es scheint, wie wenn diese Wende aus Einsicht zeitlich noch in unendlicher Ferne sei.


Natürlich ist Konditionierung auch ganz anders und positiv, weil ja eigentlich alles, was sich entfaltet Konditionierung ist: Sprache, aufrechter Gang, etc. etc. Und - wer weiss, vielleicht schon viel früher in der Evolution - durch "kosmische Gewohnheiten", die sich schon in der Bildung von kleinsten Energie- und/oder Energiepartikeln und ihrer Suche nach Verbindung manifestiert haben und die Grundlage des Kosmos sind, so wie er jetzt gerade ist, mit seinen Potenzialen, von denen wir wohl bloss einige naheliegende erahnen können?


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Hier muss ich für heute unterbrechen. Fortsetzung folgt, es sei denn, es werde Dir zu beschwerlich, meinen Denkspuren zu folgen?

Sag'es bitte frei heraus. Für heute alles Liebe, von Haus zu Haus, herzlich, Hans

lieber Hans,
Deiner Fortsetzung möchte ich nicht vorgreifen aber doch schnell noch 2 Einschaltungen einfügen:
  • keineswegs ist es mir zu beschwerlich Deinen Denkspuren zu folgen.
  • merke ich dass ich die Konditionierung nicht klar definiert habe.
Meine Gedanken beziehen sich nur auf die individuelle Konditionierung und da bin ich voll mit Dir einverstanden dass sie ungeheuer vielschichtig ist und meist einengend, beschränkend bis zerstörerisch wirken kann. Doch habe ich immer wieder erfahren dass viele Menschen gerne diese Einflüsse auf ein Mal abwerfen wollen, weil sie die Gefahren einsehen aber innerlich noch nicht bereit – oder wie es so schön heisst reif – dafür sind. Die Reaktion darauf habe ich dann in meiner Praxis gesehen………….Dort denke ich dass die Macht der Konditionierung hilft anstelle vom sofortigen nur die schrittweise Befreiung der einengenden Grenzen. Während wir für die universellen Konditionierung viel weniger selber tun können, so liegt die Selbstverwirklichung doch vor allem in  unseren Händen, wir können so weit unsere Möglichkeiten es erlauben, bestimmen was wir wollen und wie weit wir gehen können.  
Hier sehe ich einen Unterschied in unserem Denken:
Für mich sind die eigenen Kräfte sehr unterschiedlich begrenzt, was den Einen gelingt (sich voll einzulassen), können Andere nur Schritt für Schritt. Ich persönlich meine dass hier das frühkindliche Urvertrauen unter anderem eine ganz wichtige Rolle spielt, der Mut sich selber zu vertrauen. Es scheint mir dass ich ängstlicher bin und mir und z.T. den Mitmenschen weniger zutraue als Du. Allerdings hast Du vermutlich vor allem Menschen die bereits auf dem Weg sind und wissen auf was sie sich einlassen. Doch darf man die Andern nicht vergessen die auch von dem Weg zur Selbstverwirklichung profitieren könnten.
Und noch etwas: Heute ist ja „Selbstverwirklichung“ zu einem Schlagwort geworden. Doch so oft ist sie sehr egozentrisch verstanden ohne Verantwortung für Familie und Umwelt. Und was das z.B. für die betroffenen Kinder bedeutet, muss ich hier  nicht ausführen. Deine Elisabeth ist für mich ein Beispiel, sie hat – so denke wenigstens  ich – obwohl sie ihren  wunderbaren Beruf für die Familie aufgegeben hat, ihren für sie befriedigenden Weg gefunden.
Das war nur schnell ein kurzer, früh-morgendlicher Einwurf!
Herzliche Grüsse, E.M.
Liebe E.M.,
Danke für Deine Einwürfe, die ich gerne bedenke uns zu beantworten versuche. Am einfachsten ist es, wenn ich am Ende Deines heutigen Mails beginne. Selbst-Verwirklichung ist für mich die Verwirklichung der innersten Potenziale und Werte in der Person, in ihrem Alltagsleben. Die modische Selbstverwirklichung entspringt einem anderen Wortgebrauch: hier geht es um die Verwirklichung der Wünsche und Bedürftigkeiten eines von seinem inneren Selbst abgekapselten Ich.


Zur Frage nach der Begrenztheit der eigenen Kräfte vieler Menschen und der Zumutbarkeit eines Weges nach Innen verstehe ich Deine Vorsicht sehr gut! - Und doch suche ich mit Menschen, welchen die Erfahrung der frühkindlichen Nestwärme nie geschenkt oder gar zerstört worden ist, einen paradoxen Zugang. Was ist denn ihre grösste Sehnsucht? - Geliebt zu sein, ohne Bedingungen, ohne etwas zu müssen, einfach so; das Klischee der Mutterliebe, eben, die kein Mensch je zu erfüllen fähig ist. Und die wir dann suchen, um wieder ent-täuscht zu werden. Bis wir merken, dass es nur eine Sehnsucht gibt: die nach dem ewigen, unverlierbaren Gehaltensein. 
Diese Erfahrung kann ich vermitteln, vielleicht beim ersten Mal nur ihren Duft. Nur einmal, bei einem durch einen Psychiater mir zugewiesenen Psychotiker, der innere Stimmen hörte, die ihn hiessen seine Frau zu töten, war der Wahn stärker als die innere Aufgehobenheit, die er phasenweise wohl erfahren konnte, und sich in einem solchen Zustand dann freiwillig in die psychiatrische Klinik begab. Die andern erlebten schliesslich im Rückblick ihre Ent-täuschungen, die fehlende Nestwärme des Zuhause, Missbrauch und andere Verletzungen als den Weg, der sie in immer tiefere Trennung vom Selbst führten, die sie schliesslich zur Aufgabe des Versuchs führten, ihr Weh mit eigenen (Ich-)Kräften zu wenden. Die Dankbarkeit die dann zu den als Verursacher gesehenen und vielleicht gehassten Menschen oder Umständen entsteht, sehe ich als wirkliche Vergebung, welche die Spuren bis hinunter ins Zellgedächtnis zu transformieren vermag. –
Klar, dieser Weg verlangt kundige Begleitung. Hier hat für mich der Macher, auch der es gut meinende, nichts zu suchen. Ich sehe das mir geschenkte Vertrauen als wirkliches Privileg, dem ich nur aus der Hingabe an die Führung meiner innersten Weisheit und Liebe - das Selbst - genügen kann.
Dieses Vertrauen, da gebe ich Dir recht, ist ein grosses Geschenk, das ich nicht einmal annähernd als mein verfügbares Eigentum betrachten will. - Und, auch da hast Du natürlich recht: Dein empathischerer und sanfterer Weg ist ganz sicher für viele Menschen angemessen. Anderen liegt meine radikale, wenn auch immer mitfühlende, Kur näher. So wie Du Deine höchsten Kräfte auf Deinem Weg zur besten Entfaltung bringst, während für mich die Herausforderung durch den Schmerz den Wegweiser zur Wende bildet.


Das bringt mich zurück zur Differenzierung des Begriffs der Konditionierung. Wenn wir soweit gehen als die Entfaltung des Universums aus einem initialen Ereignis als Folge von Konditionierungen in immer differenzierte Manifestationen und - in der Geschichte des homo sapiens - immer differenziertere Bewusstseinszustände zu sehen, dann gäbe es nichts ohne Konditionierung, ohne sich nach und nach als bewährt etablierende Gesetzmässigkeiten; im Dialog zwischen Ken Wilber und Rupert Sheldrake habe ich dafür die Bezeichnung "cosmic habits" gehört, die mir sehr gut gefällt. Jean Gebser hat die Entfaltung des menschlichen Bewusstseins aus dem Archaischen über das Magische, Mythische, Mentale ins Integrale sehr schön beschrieben; Ken Wilber hat das noch weiter differenziert und auf die Entwicklung jedes Menschen übertragen: von der noch absoluten Einheit des Neugeborenen mit der Mutter, zur Entdeckung seines Eigenen: körperlich, emotional, rational bis zu der Ebene, die sich in der westlichen Menschheit vielleicht gerade entwickelt, der Integralen, aus der wir die früheren Ebenen reflektieren und integrieren können - um dann auch die Freiheit von den traumatisierten (!!!) Konditionierungen zu finden, die auf jenen Ebenen oder beim disharmonischen Übergang von einer zur andern, empfangen wurden.


In der Evolution des menschlichen Bewusstseins - ob individuell oder kollektiv - ist jede neue Ebene ein Geschenk. Sie ist - bei Jean Gebser erstmals gelesen - einer ins Chaos abgestürzten Disfunktionalität der vorangehenden Ebene entsprungen. Welche Gesetzmässigkeit liegt dem seit Urzeiten und immer wieder neuen Geschehen zugrunde?
Immer, wenn sich unserem Bewusstsein neue Wahrnehmungs- und Reflexionspotentiale erschliessen sind wir fasziniert von den neuen Ein- und Aussichten. Wir neigen dazu, das Neue zu verabsolutieren, und gleichzeitig das Bisherige als überholt abzuwerten. Durch diese einseitige Identifikation des Ich mit dem Neuen befindet sich dieses bereits auf dem besten Weg in die Destruktivität. Die erst noch neuen Glaubenssätze werden sich über kurz oder lang als begrenzt erweisen und ihre ausschliessliche Glaubwürdigkeit verlieren. Der Zerfall derart brüchig gewordener Paradigmen führt unvermeidbar in Orientierungslosigkeit und Chaos. Dort können aus der Leere neue Ideen aufblitzen, die wenn sie von einer kritischen Anzahl von Meinungsbildnern als glaubwürdigere Orientierungshilfen angenommen werden,   zum neuen Paradigma erhoben werden.
So geschehen mit der Abwertung von Körper und Emotionen durch die Faszination von Rationalität und Verstand, samt ihren die ganze Gesellschaft treffenden Auswüchsen. Unsere Generation hat den Aufstand gegen die harte Verstandeswelt erlebt, deren Abwertung durch die Multikulturellen und Grünen, die zwar wesentliche Werte ins Bewusstsein rufen, aber durch ihre Einseitigkeit und Naivität ins nächste Chaos der Meinungen führen. Jedem Chaos wohnen sowohl Regression als auch Evolution inne. Alles hängt davon ab, dass neue Ideen als soviel an Glaubwürdigkeit und Kraft auf sich zu ziehen vermögen, dass daraus ein neues Paradigma als gesellschaftlich akzeptierter Schritt der Bewusstseinsentfaltung entstehen kann.
So sehe ich die Hoffnung, dass der seit 1968 gewachsene Sinn für die Pluralität in seiner konstruktiven Ausbildung die Basis für ein integrales Bewusstsein bilden möge: eine innere Haltung die alle Entwicklungs-Ebenen - archaisch, magisch, mythisch, rational, pluralistisch - einschliesst und würdigt, indem sie diesen ihre je eigene, dem jeweiligen Potenzial entsprechende Funktion im ganzheitlichen Gesamtklang der Persönlichkeit - oder der Gesellschaft – einräumt und wertschätzt. Dabei ist zu bedenken, dass einzelne dieser früheren Entwicklungsebenen so entwertet oder verletzt wurden, dass sie noch heute wirksame Traumatisierungen aufweisen. Dazu gehörten auch Traumatisierungen, die je nach Interpretationsweise von Generation zu Generation weitergereicht oder aus früheren Seelenleben stammen und sich – das gilt für beide – in Form von Persönlichkeitsstörungen manifestieren können, bis sie durch Wahrnehmung und Annahme erlöst werden. 

Das wäre wohl eine nächste Portion meiner Gedanke zu diesem wohl endlosen Thema. Aber gleich holt mich unsere Enkelin Seraina zum Mittagessen ab, und da möchte ich dieses Mail vorher noch (ungelesen) absenden.


Mit herzlichen Grüssen,
Hans

lieber Hans.
in den letzten 10 Tagen habe ich dank Deinen didaktischen Fähigkeiten viel von Deinen eigenen Erfahrungen lernen dürfen. Obwohl im ersten Moment Vieles mir fremd schien, merke ich doch wie nah wir uns doch bewegen im Sinne: „viele Wege führen zum Ziel“, doch das Ziel ist  sehr ähnlich. Was Du bei der Rückführung über die Identifikation mit Deinem Selbst zur Identifikation mit seinem Selbst beschreibst, erinnert mich genau an meine Arbeit in der Daseins-Analyse (die sich ja unter anderem auch auf den Boden indischer Philosophie beruft) . Der Wunsch nach frühkindlicher Mutterliebe, an diese grosses Eins-Sein kennen wir ja alle!
Ich habe nun auch begriffen dass Deine Definition der Konditionierung viel umfassender und universaler ist, als ich sie bisher bedacht habe. Im Ansatz hat es nach meinem Gefühl auch  etwas von der Jungschen  Lehre, nur ist sie viel differenzierter und umgreifender, wie der kurze Ausschnitt aus dem Dialog zwischen Ken Wilber und Rupert Sheldrake zeigt
Nun lasse  ich bei mir diese neuen Gedankenanstösse sich setzen, freue mich aber „das begonnene und nie beendete Gespräch“   dann auch wieder weiterzuführen.
Jetzt  gehe ich in den 3. Kursabend über Lutoslawski, das letzte Mal sprach Krystian Zimerman über sein an den folgenden 3 Tagen in der Tonhalle gespieltes Klavierkonzert und über dessen Entstehung und dies war faszinierend und belebend .
Wie immer liebe Grüsse auch an Elisabeth
E.M.

Liebe E.M.
Nun ist seit unserem letzten Austausch schon fast eine Woche verstrichen. 
Ja, klar: so sehr sich die Wege unterscheiden mögen, so haben Sie vielleicht sogar das selbe Ziel. Denn die grosse Sehnsucht, die uns in so viele Irrfahrten hineinführt und durch die Ent-Täuschung wieder erlöst, kann nach meinem Verständnis nur Eines meinen: Die allumfassende Ewigkeit, der wir alle entstammen. Dies zu Lebzeiten erfahren zu dürfen ist Gnade. Und sie verlangt Hingabe, immer wieder, immer von Neuem.  Gerade durch die Begleiterscheinungen der gegenwärtigen familiären Turbulenzen und Widrigkeiten im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung unserer Liegenschaft an der Rämistrasse 42 erfahre ich, wie mich Ängste, enttäuschte Erwartungen an meinen uralten Prägungen wieder in das getrennte Ich hinausreissen. Dann ist es der Hans, der alles richten muss und sich dabei erschöpft. Und wenn ich - wie gestern Vormittag - Elisabeth meinen Zustand erkläre, fährt plötzlich die Erinnerung an die Instanz ein, welche mich in diesen Dingen leitet, und von Sekunde zu Sekunde ändert sich mein Zustand. Ohne die emotionale Erregung wird sofort alles klar und halb so schlimm.
So wird das Ungemach zum Lehrer, zum kostbaren Geschenk! OM NAMAH SHIVAYA! (OM - ich verneige mich vor dem Ewigen).
Das Lutoslawski-Konzert war sicher wieder sehr schön! Wir haben es vor Jahren, auch mit Zimmermann und auch in der Tonhalle gehört!
Elisabeth ist am Donnerstag auf dem Glatteis (Stadelhoferstrasse) ausgerutscht und hat sich sehr weh getan. Kein Knochenschaden, ausser möglicherweise ein Riss im Steissbein. Heftige Muskelschmerzen bei jedem Bücken oder Treppengehen (aufwärts). Ob Elisabeth nach Istanbul zum Konzert von und den Tagen mit Ursina mitkommen kann, ist fraglich.
Euch beiden liebe Grüsse von Haus zu Haus, Hans

7. Februar 2013

Ich - Einzigartiges Selbst - Urgrund allen Seins


Bei einem Mittagessen habe ich unserer Freundin E.M. den Ausschreibungstext für meinen ersten Kurs nach der langen Pause übergeben.
Das Ich, als Ausdruck eines einzigartigen Selbst,
geboren aus dem ewigen Urgrund allen Seins.
Die Erfahrungsrunde dieser zwei Tage gilt der Erkundung der eigenen Person als Ausdruck ihres Wesenskerns: des unverwechselbaren Selbst mit seinen einzigartigen Gaben und Potenzialen. So verstanden, erhält der Ruf nach Selbst-Verwirklichung eine tiefere Bedeutung: als Aufforderung, die je eigene Rolle zu erkennen und auszufüllen. Dies nicht allein im unmittelbaren Lebenskreis, sondern als Weltbürger im umfassenderen Kontext der globalen Bewusstseinsentfaltung. Denn im Urgrund, dem alle Manifestation entspringt, sind wir verbunden, in einer wunderbaren Vielfalt einzigartiger Aspekte des sich ständig neu entfaltenden Universums.
Stets erneuerte Hingabe der Person – samt ihrer mitschöpferischen Wirkkraft – an die in uns angelegte Vollkommenheit ist der Schlüssel zur zunehmenden Verwirklichung in diesem Leben.
Aus diesem Wissen heraus wollen wir in der Seminarrunde erkunden, wie wir die eigenen Bedingtheiten und die täglichen Herausforderungen des Alltags als Teil unseres Werdens annehmen, um unsere Grenzen zu wandeln und zu übersteigen. Dabei werden wir erfahren, was es bedeutet, unsere wesentliche Fragen und Anliegen der Weisheit und Wirkkraft des einzigartigen Selbst anzuvertrauen. Um dabei tiefer zu verstehen, wie wir mit jedem unserer inneren Schritte gleichzeitig auch Mitschöpfer des sich selbst informierenden universellen Bewusstseins sind - ein mögliches Gottesbild für unsere Zeit?
Wir finden uns in diesem umfassenden Geist und unseren individuellen Anliegen in der Runde. Den Ablauf und detaillierten Inhalt des Seminars überlasse ich in diesem Sinne der Weisheit des Augenblicks.
Daraufhin schreibt mir E.M.:
Ich habe Deinen Flyer, lieber Hans, gelesen und da sind mir noch Fragen aufgetaucht. Aber das zeigt ja auch dass schon der geschriebene Text zum Weiterdenken anregt..
·       „der ewige Urgrund allen Seins“ entspricht das in Etwa dem archetypischen Urgrund im Sinne dass auch unser Selbst aus diesen Quellen stammt?
·       um dem Ruf nach Selbst-Verwirklichung sowohl des unmittelbaren wie auch als Weltbürger braucht es doch eine rechte Portion Selbstsicherheit. Und wer diese nicht hat und er auch nicht den Intellekt oder Willen einsetzen darf , kann er sie aus dem inneren Energiestrom finden? Braucht es nicht schon Einiges an Wissen über seine innere Befindlichkeit um ohne Angst sich auf diese Reise nach Innen einlassen zu können.
·       das sind vielleicht schon wieder zu intellektuelle Überlegungen oder durch meine Arbeit mit seelisch kranken Menschen gefärbte Gedanken, doch sie stiegen in mir auf als ich mir vorstellte, dass ich mich so loslassen sollte
Liebe E.M........
Der ewige Urgrund allen Seins ist für mich der Raum jenseits von Dualität, ein zeitfreier Raum ohne Grenzen, in den hinein sich der Beobachter auflösen kann. Ein Zustand, in dem ich nichts nicht bin. Aus diesem Zustand können wir nichts tun, nichts bewirken, nichts denken, nur sein. Gleichzeitig ist da eine unverlierbare Aufgehobenheit, eine grosse Zärtlichkeit für die Manifestation, die ich auch bin. - Die Führung in diesen Raum kann ich vermitteln - ebenso wie den Weg zurück, vorerst in die Identifikation mit meinem Selbst - meinen einzigartigen Gaben und Potenziale, die meine Rolle in dieser Welt beinhaltet - und von da zurück in die Person, die sich neu erfährt: Als Ausdruck ihres einzigartigen Selbst, das wiederum ein Aspekt der dem Sein entspringenden Manifestation ist. - Ich habe bis jetzt noch keinen Menschen erlebt, der diese Reise über die Dualität hinaus und zurück in die "Selbst-Erfahrene" Person nicht nachvollziehen konnte.
Wer die Wirklichkeit dieses einzigartigen Selbst erfahren hat, kann sich zumindest ein Bild von Selbst-Verwirklichung machen. Nämlich die in ihm angelegten Potenziale, seine Gaben, in der Welt zu verwirklichen. Zuerst in seiner Haltung zu den Phänomenen des Alltags, zu seinem unmittelbaren Umfeld und dann aus dem Bewusstsein heraus, dass wir in unserer Zeit und Gesellschaft gar nicht existieren können, ohne Vernetzung in die Globale Gesellschaft. Und wie wir damit lokal umgehen hat globale Bedeutung, immer! Es ist wirklich keine Hexerei.
In einem Workshop mache ich das ganz klar mit Menschen, die wissen, worauf sie sich einlassen. Sonst würden sie von der Einladung ja auch nicht betroffen sein. Meist sind es Menschen, die einen spirituellen Weg gehen, damit nicht klar kommen, sich verhaspelt oder verstiegen haben. Oder Menschen, die spüren, dass sie mehr in sich tragen als sie in ihrem Leben verwirklichen.
Letztere sind die, mit denen ich in Einzelarbeit spreche. Da kann ich auch mit Verwundungen des Ich umgehen und mich von meiner inneren Weisheit darin führen lassen. Hingabe an die grössere Weisheit und Liebe ist alles. - Aber auch da gehe ich davon aus, dass die Heilung des konditionierten oder verletzten Ich aus der Erfahrung der Aufgehobenheit im Selbst als Ausdruck des grossen Seins kommt. Dass der Wunsch nach Kraft und Führung an das Selbst auf wunderbar erscheinende Weise beantwortet wird. Dass wir eine Heimat haben, zu der uns Heimatlosigkeit - als ent-täuschte Heimat - hinführt. Dass alle Sehnsucht nach Einheit letzlich diese Eine meint ......
Dies als spontaner Erguss vom Selbst in die Finger und den Computer ... Von Herzen, mit lieben Grüssen, Hans
lieber Hans,
Vielen Dank für diesen schönen Wochenend-Gruss. Du hast die Gabe  - auf alle Fälle bei mir –  die Gedanken anzustossen, fliessen zu lassen und die würde ich  in Kurzform gerne „rückfliessen“ lassen.
Ich denke es gibt die verschiedensten Wege die zu der Selbst-Verwirklichung führen und jeder – falls er/sie das wünscht, kann seinen Weg dazu finden. Früher versuchte man dies mit der Stützung des Selbstwertgefühl nur bleibt das stets intellektuell und äusserlich, nützt entsprechend selten. Später folgte dem die psychoanalytische Therapie…….. Eine Cousine von mir hat den Weg auf stundenlangem Ritt auf dem Pferd durch die Natur erfahren und konnte davon weitergeben. Dein Weg spricht mich sehr an weil er mich sehr an meine Auseinandersetzung mit der Mystik der verschiedenen Kulturen erinnert.
Wie Du  Dich  - vermutlich stets von Neuem – zu verwirklichen suchst und anderen Menschen dazu zu verhelfen kannst, bewundere ich sehr. Das dazu nötige tiefe Vertrauen und die Offenheit beiderseits ist etwas Einmaliges. Bei meiner Arbeit musste dies meist einseitig bleiben und doch habe ich es stets als grosses Geschenk empfunden.
Was mich ebenso anspricht ist wie es Dir gelingt von Deinem Weg des  ewigen Urgrundes, diesem zeitfreien Raum ohne Grenzen mit der grossen Zärtlichkeit und dem Aufgehoben-Sein, zurück zur Identifikation mit seinem Selbst  zu führen. Damit hat der Klient  - und eben nicht intellektuell-   sein Selbstwertgefühl erfahren oder auch relativierten können, je nachdem. In der Auflösung findet er seinen eigenen, festen Boden, so stelle ich es mir vor.
Dass Du aber Deine Klienten zurück in den Alltag und  ihnen die Verantwortung für die Welt, die Globalität, vor Augen führst, dass Du damit die echte Heimat in sich selbst als Aufgabe und Verpflichtung im Hier und Jetzt aufdeckst macht Deinen Weg wohl lebensnaher und menschengerechter  als viele der esoterischen oder ähnlichen Wege.
Liebe E.M.
Deinen Dank erwidere ich gerne: Deine Fragen lassen es in mir fliessen, und ich bin froh, auf diese Weise Aspekte schriftlich zu formulieren. Beim gegenwärtigen Lebensinhalt und -tempo fällt die Schriftlichkeit fast ganz unter den Tisch. So benütze ich die Gelegenheit, meine Gedanken noch etwas weiter zu führen.
Wenn ich frohgemut schreibe, das sei "keine Hexerei", so meine ich damit die Erfahrung und die Einsicht. Die Umsetzung ist natürlich etwas anderes. Um es klar zu sagen: ich bin noch keinem voll Selbst-verwirklichten Menschen begegnet. Ich glaube auch nicht, dass dies möglich sei, solange wir in einem Körper leben, der erst einmal die Evolutionsgeschichte von Äonen als Bedingtheit in sich trägt: Feste Materie, Flüssigkeit, Gas, Elektrizität, Vitalität, Überlebensfunktionen, Emotionalität, Rationalität, Reflexion, zunehmende Freiheit. Und all dies geprägt von teils traumatischen Konditionierungen durch die kulturell verschiedenartige Sozialisierung von Herde, Horde, Stamm, Ethnie, Heimat, Sippe, Familie, Individualität.
Die je eigene Arbeit geht in zwei Richtung: Kultivierung der Aufgehobenheit im Selbst durch unendlich wiederholte Rückverbindung. Dabei fällt danke der Selbst-Erfahrung der spirituelle Materialismus dahin; ich tue dies nicht mehr, um eine Erleuchtung oder so etwas zu erreichen; Selbst-Erfahrung ist die Streifung durch Erleuchtung, was folgt ist die Vertiefung. Die andere Richtung der eigenen Arbeit geht in die Erlangung zunehmender Freiheit von den oben beschriebenen Bedingtheiten. Volle Freiheit, ist - wie ich beschrieben habe - eine Illusion, denn die Sammlung der Konditionierungen ist grenzenlos; da vermischen sich bald einmal individuelle und kollektive Prägungen. Ich gehe vielmehr davon aus, dass das Leben in uns jene Konditionierungen anstösst, die erlöst sein wollen. Je eher wir diese "Störungen" als Herausforderungen zur Bewusstwerdung anzunehmen bereit sind, desto kontinuierlicher wird die Lebenslinie zu einem Weg der Entfaltung; statt uns selbst zu blockieren, indem wir den Anlass oder den bösen Andern für unser Weh verantwortlich machen. - Und spätestens hier muss der geneigte Schreiber passen: schon wenn wir immer wieder neu realisieren, dass uns die Aussenwelt an der eigenen Prägung aus der bewussten Verbindung herausgerissen hat - verbunden sind wir ja immer - sind wir auf einem privilegierten Wegstück angelangt. Und wer kann mit Sicherheit sagen, dass grosse Not ihn nicht gänzlich wieder zu verschlingen vermöchte?
Wenn Du diese Weiterführung meiner schriftlichen Erwägungen Dir zu Gemüte führen magst, freut es mich. Auch Fragen, Widersprüche und Kommentare würde ich gerne aufnehmen!