24. Mai 2008

Die USA verzichten nicht auf Streubomben! Wie verhalten sich verantwortliche Weltbürger?

Seit dem 19. Mai treffen sich in Irland Vertreter von über 100 Nationen, darunter Vertreter aller Nato-Länder, mit dem Ziel, eine Vereinbarung über das Verbot von Streubomben abzuschliessen. Wer fehlt, sind die USA, die auch auf ihre Alliierten Druck ausüben: gemeinsame militärische Operationen würden durch ein derartiges Verbot behindert.

Was können eigenverantwortliche Weltbürger tun? Was sind die gewaltfreien Wege, um in keiner Weise an der Förderung dieses Verhaltens teilzunehmen? Schliesslich finanzieren wir die Kriege der USA auf vielfältige Weise mit, denen wir uns nicht immer entziehen können.

Aber wir können auf Reisen in die USA, soweit nicht unumgänglich, verzichten. Wir können Produkte von Firmen umgehen, deren Wurzeln in den USA liegen. Wir können dies die lokale Botschaft der USA wissen lassen. Wir können darüber zu Freunden sprechen - auch zu den US-Amerikanern unter ihnen - und auch in der Öffentlichkeit, sofern wir dazu die Mittel haben.

Natürlich ist es nicht nur das Verbot der Streubomben, wo wir in diesem Sinne aktiv werden könnten. Irgendwann muss die Zivilgesellschaft beginnen, dort durch ihr Verhalten "abzustimmen" wo sie dazu Möglichkeiten hat. Wer ist die Zivilgesellschaft? Wir alle, sich mitverantwortlich fühlenden Weltbürger!

18. Mai 2008

Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen

In der NZZ vom Wochenende ist ein interessanter Artikel des Philosophen Otfried Höffe erschienen. Der Titel - möglicherweise von der Redaktion gesetzt - "Soziale Verantwortung zahlt sich für Unternehmen aus" und, vor allem, das Bild der beiden Clintons bei der Arbeit in einer Gassenküche wecken in mir allerdings zwiespältige Assoziationen; es kann nicht darum gehen, den äusseren Schein sozialer Verantwortung zur Gewinnsteigerung einzusetzen. Womit nicht gesagt sein soll, dass eine dem Respekt für die Schöpfung entspringende und als eigener Beitrag zum Wohl der Gesellschaft gelebte unternehmerische Verantwortung dem geschäftlichen Erfolg entgegenstehe. Im Gegenteil, wie ich aus eigener Erfahrung weiss; jedoch viel mehr als Resultat auf das Gemeinwohl ausgerichteten wirtschaftlichen Handelns, denn als prioritärer Unternehmenszweck.

Was mir am Artikel gefällt, ist der Versuch einer Übertragung der Selbstverpflichtung in Form des hippokratischen Eids, wie ihn die Ärzteschaft seit jeher kennt, auf die Verantwortung der unternehmerischen Entscheidungsträger. Das erste Gebot hiesse dementsprechend:
"Das Wohlergehen deines Unternehmens sei dein höchstes Gesetz". Dem würde sich das zweite Gebot anschliessen: "Du sollst auf keinen Fall dem Unternehmen schaden." Und weiter das dritte "Du sollst die Hoheit der Eigentümer wahren, den Bestand und die dauerhafte Rentabilität deines Unternehmens sichern, die Rechte und Würde der Mitarbeitenden achten, Verantwortung für die gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen des unternehmerischen Handelns übernehmen und das Unternehmen nur in ehrlichen und transparenten Transaktionen engagieren."

Das dritte Gebot, das ich bereits in freier Formulierung angepasst habe, wäre - speziell im Hinblick auf die Verantwortung für die gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen unternehmerischen Handelns - sehr genau anzusehen. Aus einer von den eigenen Interessen und Ängsten ungetrübten Sicht auf die globalen Zusammenhänge, womit wir einmal mehr wieder bei der Verankerung des verantwortlichen Weltbürgers in einer spirituellen Aufgehobenheit wären. Ich sehe sie als Vorbedingung für weltbezogenes, von den vitalen Impulsen und den durch sie ausgelösten Emotionen freies Fühlen, Denken und Handeln.

12. Mai 2008

Integrale Weltbürgerkunde in fünf Schritten

Aus dem eben eingetroffenen Newsletter des Integral Institutes zitiere ich die Ankündigung eines Gesprächs von Ken Wilber mit Jim Garrison, Präsident des 1995 von ihm gemeinsam mit Michael Gorbatschew gegründeten State of the World Forum. Das vollständige Gespräch kann auf der Website des Integral Institute angehört werden. Es sind Gedanken, die mir am Herzen liegen, und die ich - in anderer Form - auch im Buch „Eine Welt oder Keine“ ausgedrückt habe.

"Nobody on this planet goes to bed at night hungry because of lack of food. They go to bed at night hungry because of lack of political ideas, and the lack of political systems to get them the food."

So, finally, we come to the all-important question: "what now?" As Integral thinkers, practitioners, leaders, artists, and activists, it is essential that we live up to a new standard of global citizenship, in which some sort of civic engagement becomes as intrinsic to our personal practice as any meditation, study, or physical exercise. These inner-focused practices must be allowed to come to fruition and find full expression in the world, or else we begin to swallow our own light, rather than sharing it with those who need it most.

Integral Civics in Five Generic Steps

Step 1 - Wake up! Continue to practice, practice, practice, in as many fundamental areas of your life as you can. If our problems demand an Integral response, the Integral response demands your ongoing efforts to enact it. This is arguably the most important step, which is why it is the first step—but it cannot be the only step.

Step 2 - Get informed! If you wish to do something to help the world, then you need to understand what is going on. Find perspectives that you trust, and use the Integral framework to deepen your understanding of these perspectives. While many feel that staying in touch with the news in our sound-byte-driven media can feel like standing on a mountain of marbles, there are indeed sane and stable voices out there, who retain some degree of journalistic integrity. Find those voices.

Step 3 - Interact! Share your perspective with your friends, your family, and your community, Integral or otherwise. Pay attention to where you agree, and where you disagree, while keeping in mind that, from an Integral perspective, everyone is always right—even if some are more right than others. Simply sharing your ideas and values with others helps to further refine and focus your views, especially while keeping an eye out for your own personal and cultural shadows, biases, and blind spots.

Step 4 - Get involved! Decide what level of engagement works for you, whether that means donating a portion of your disposable income to a particular cause or candidate that you resonate with, all the way to taking it to the streets in public protest—of course, at an absolute minimum, if you have any Integral perspective at all, you should be voting!

Step 5 - Wake up! The alpha and omega of Integral civics. You are asleep, and are having a dream. In that dream, millions of people are suffering needlessly. What is the best way to immediately liberate all of these people, to alleviate all of this pain?

Just open your eyes, and wake up. Now.

1. Mai 2008

Radikale Liebe

Heute scheine ich einen radikalen Tag zu haben; liegt es an der besonderen Verbindung von Auffahrt und 1. Mai?

Zuerst erschien mir nochmals die Erinnerung an die Veranstaltung "Forum Weltethos" in Fribourg, deren persönliche Eindrücke ich in meinen Notizen vom 26. und 27. April beschrieben habe. Ist diese Art des aus mythischen Gottesbildern beruhenden interreligiösen Dialogs nicht eine eigentliche Blockierung der Bewusstseinsentfaltung, hin zum eigenverantwortlichen Weltbürger, der aus einer tiefen Liebe zur Schöpfung spürt, wo, wann und in welcher Form sein Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft Sinn macht? Der aus seiner inneren Tiefe weiss, dass er als individueller Ausdruck des Einen Seins Teil dieser globalen Gemeinschaft ist und durch sein Fühlen, Denken und Handeln laufend zur kollektiven Bewusstseinsveränderung beiträgt? - Es braucht Menschen, welche dieses Festhalten im ewigen Diskurs um die Unterschiede überschreiten, und beginnen, aus der umfassenderen Einheit zu sehen und zu wirken. Sie werden möglicherweise auf lange Zeit hinaus eine verschwindende Minderheit bleiben, doch kann aus ihrer Vernetzung eine Kraft entstehen, die den individuellen Alltag überschreitet und gesellschaftlich wirksam wird.

Später am noch frühen Morgen habe ich im Internet die Nachricht gefunden, dass Mc Cain und Clinton vorschlagen, während der Sommermonate die Treibstoffabgaben ganz zu suspendieren, damit die Amerikaner trotz der gestiegenen Treibstoffpreise ihren Sommervergnügungen per Auto nachgehen können. Was sind alle die sogenannten ethischen Bekenntnisse wert, wenn sie so schnell und opportunistisch dem eigenen Vorteilsstreben zum Opfer fallen? Und damit allenfalls noch Erfolg haben? Kennen wir dies nicht auch im eigenen Lande?

Am Frühstücksgespräch werden die Gedanken noch radikaler. Die Klientin, die heute ihre mehrtägige Bewusstseinsarbeit abschliesst, hat infolge ihres Medienentzugs nichts von dem schrecklichen Familien- und Vergewaltigungsverbrechen gehört, das in Österreich aufgedeckt wurde. Ich habe andererseits - auch via Internet - gesehen, wie sich nicht nur die ganz Welt entsetzt - zu Recht! - sondern wie nun die Angelegenheit in all' ihren grausigen Aspekten ausgeschlachtet wird. Das Erzählen und Beschreiben führt die Gedanken weiter:
  • Die Monstergeschichte, je grausiger sie sich darstellt, erleichtert es uns, auf den einmaligen Charakter hinzuweisen, und die Sache als etwas wegzuschieben, das mit uns nichts zu tun hat. Das ist anormal, krank etc. Stimmt!
  • Aber ist nicht auch die Förderung der Luftverschmutzung durch die Senkung der Treibstoffabgabe eine Spielart, die Folgen des Handelns für die Gemeinschaft aus dem Bewusstsein wegzuschieben? Und damit noch Wählerstimmen zu gewinnen? - Und wie ist es mit den interreligiösen Diskursen um einen Gott, dessen Wohlgefallen wir verlieren oder gewinnen, während die Gläubigen in ihrer Verblendung sich selbst und die Häuser der andern in die Luft sprengen?
  • Haben wir es nicht in allen drei Fällen mit einer Verstrickung in die Triebe und Emotionen zu tun? So tief, dass sie das Fühlen, Denken und Handeln aus unserem innersten Wissen verschleiern und bestimmen? Unterschiedliche Formen und Schweregrade - durch unsere derzeitigen Strafgesetze erfasst oder auch nicht - des selben Phänomens: Blindheit für die Wirkungen unseres Tuns auf die Gemeinschaft?
Wir tun gut daran, diesen Blick in die eigene Tiefe zu wagen und die Wirkung der unbewussten Vitalkräfte - samt ihren Konditionierungen und Verletzungen - auf unser Fühlen, Denken und Handeln wahr- und anzunehmen. Auf dass wir sie - nicht durch die Mittel von Strafe und Belohnung - durch die unbedingte Liebe und Weisheit des Herzens zum Sprechen bringen und in ihrer geheilten, versöhnten Gestalt als unentbehrliche und hilfreiche Begleiter in dieser Welt gewinnen.