17. Februar 2008

> Gemeinschaftliche Mit-Verantwortung

Seit einer Woche sind wir – schlank und rank - wieder aus Indien zurück. Als Ankündigungstext für einen Vortrag in Bern schrieb ich heute diese Notiz:
„Vermögen wir in den alarmierenden Zuständen auf unserem Planeten – Umweltzerstörung, Ressourcenmangel, Spaltung zwischen Arm und Reich, Krieg, Terrorismus –die dringliche Aufforderung zum Evolutionssprung in eine globale Verantwortung zu sehen? Ein friedliches Zusammenleben der Menschheit mit sich selbst und mit einer lebenserhaltenden Umwelt ist nur denkbar, wenn im kollektiven Bewusstsein das Wohlergehen der Weltgemeinschaft vor alle Einzelinteressen und Machtbedürfnisse tritt.
Diese integrale Sichtweise, und erst recht die Schritte zu ihrer Verwirklichung durch ein wachsendes Netz angstfreier und eigenverantwortlicher Weltbürger, bedürfen der inneren Verankerung: in einer trans-religiösen Spiritualität. In einem erfahrenen Wissen um den Urgrund allen Seins, wo sich Menschen aus den verschiedenen Religionen, Traditionen sowie (Nicht-)Wegen, befreit von brüchigen und trennenden Glaubenssätzen begegnen können.“

Der Kommentar „Wenn der Staat die Moral zersetzt“ in der Online-Ausgabe der NZZ sowie ein Teil der Leserzuschriften passen schlecht zur Sicht einer durch die Einzelnen mit zu tragenden gesellschaftlichen Verantwortung: Den Steuergesetzen die Schuld für die Unehrlichkeit so genannt rechtschaffener Leute zuzuschieben, ist nicht anders, als die Marktwirtschaft für die unbezähmbare Gier mancher Manager verantwortlich zu machen – oder das Sozialsystem für die Rentenbetrüge.
Offensichtlich sind die einst bewährten Grundsätze der Moral gegenüber den Verlockungen durch Geld und Macht brüchig geworden. Diesen Zerfall der moralischen Regelkraft als Zeichen der Bewusstseinsevolution zu begrüssen, stösst noch auf vielfaches Unverständnis: Doch sehen wir jenseits eines konventionell bestimmten Gut-Seins nicht auch das Potenzial einer inneren Wahrhaftigkeit und des Respekts für das Wohl der Gemeinschaft? Für diejenigen, welche für diese grössere Freiheit noch nicht bereit sind, braucht es nach wie vor demokratisch legitimierte Gesetze und ihre Durchsetzung. Es ist wohl kein Zufall, dass diejenigen, welche den deutschen Steuerbehörden ihr forsches Vorgehen vorwerfen, den Einsatz von Detektiven gegenüber unehrlichen Empfängern von Sozialhilfe und Invalidenrenten befürworten; obwohl – wohl auch in der Schweiz – dem Staat an der Steuerfront durch Unehrlichkeit mit grösster Wahrscheinlichkeit wesentlich mehr Geld entgeht.
Das bringt mich zu den in der Schweiz bevorstehenden Volksabstimmungen über Steuerreformen: Es lohnt sich, gut zu überlegen und nachzuspüren, wem diese Neuerungen zugute kommen und was sie für das gemeinschaftliche Wohl in unserem Lande bedeuten.