19. März 2008

> Entscheiden: rational, integral, spirituell (B)

Mein letzter Eintrag liegt schon mehr als einen Monat zurück. Viel ist in dieser Zeit geschehen. Zuletzt ein Vortrag zur seelischen Gesundheit von Wirtschaft und Gesellschaft in Berlin sowie wertvolle Gespräche dort und auf dem Heimweg - per Bahn - in Fulda und Mannheim.

Heute fand ich in der Post den Brief eines Freundes, der eben eine für sein Leben wesentliche Entscheidung getroffen hat. Es ist nicht zum ersten Mal, dass er davon spricht, dass wir im Leben nicht umhin kommen, erst zu prüfen und dann zu entscheiden.

Als ich dieses Wort erneut las, sah ich drei Bewusstseinsebenen vor mir - im Sinne der Gedanken von Jean Gebser oder Ken Wilber - sowie drei Wirkungsweisen von umgesetzten Intentionen, je nach ihrem Zustandekommen:
Auf der rationalen Ebene prüfen wir Handlungsoptionen und entscheiden uns für die eine oder andere. Die gewählte erhält die gesamte Verwirklichungsenergie; die anderen gehen leer aus. Wie beschränkt diese Entscheidungsweise ist, sehen wir, wenn wir uns vorstellen, dass alle Handlungsoptionen Menschen mit involvieren, von denen dann einige leer ausgehen.

Aus der integralen Sicht verstehen wir den Sinn des Wortes "ent-scheiden", im Sinne von vereinigen oder ganz machen. Am plakativen Beispiel von Kommunismus und Kapitalismus: Können wir die besten Seiten beider Möglichkeiten in ein neues Ganzes, auf einer umfassenderen Ebene integrieren? Den Aspekt der Solidarität des Kommunismus, verbunden mit Initiative und Kreativität des Kapitalismus? Und könnte daraus nicht ein neues, die Menschen vereinigendes Potenzial entstehen? Evolution des Bewusstseins?

Aus der spirituellen Ebene wird sich die Frage nochmals anders stellen: Sind wir mit dem Seinsgrund - der Quelle unserer tiefsten Weisheit und Liebe - verbunden, werden wir unmittelbar erkennen und verstehen, was die jeweilige Situation von uns braucht. Sehen, erkennen, verstehen, handeln: keine Fragen. Dabei wird klar, dass die Zweifel, die uns zum entscheiden oder ent-scheiden zu zwingen scheinen, aus unseren eigenen Befürchtungen und Wünschen stammen. Sind sie erst einmal aufgelöst, liegt die Situation mit ihrem allfälligen Handlungsbedarf offen da; ohne wenn und aber.