1. Mai 2008

Radikale Liebe

Heute scheine ich einen radikalen Tag zu haben; liegt es an der besonderen Verbindung von Auffahrt und 1. Mai?

Zuerst erschien mir nochmals die Erinnerung an die Veranstaltung "Forum Weltethos" in Fribourg, deren persönliche Eindrücke ich in meinen Notizen vom 26. und 27. April beschrieben habe. Ist diese Art des aus mythischen Gottesbildern beruhenden interreligiösen Dialogs nicht eine eigentliche Blockierung der Bewusstseinsentfaltung, hin zum eigenverantwortlichen Weltbürger, der aus einer tiefen Liebe zur Schöpfung spürt, wo, wann und in welcher Form sein Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft Sinn macht? Der aus seiner inneren Tiefe weiss, dass er als individueller Ausdruck des Einen Seins Teil dieser globalen Gemeinschaft ist und durch sein Fühlen, Denken und Handeln laufend zur kollektiven Bewusstseinsveränderung beiträgt? - Es braucht Menschen, welche dieses Festhalten im ewigen Diskurs um die Unterschiede überschreiten, und beginnen, aus der umfassenderen Einheit zu sehen und zu wirken. Sie werden möglicherweise auf lange Zeit hinaus eine verschwindende Minderheit bleiben, doch kann aus ihrer Vernetzung eine Kraft entstehen, die den individuellen Alltag überschreitet und gesellschaftlich wirksam wird.

Später am noch frühen Morgen habe ich im Internet die Nachricht gefunden, dass Mc Cain und Clinton vorschlagen, während der Sommermonate die Treibstoffabgaben ganz zu suspendieren, damit die Amerikaner trotz der gestiegenen Treibstoffpreise ihren Sommervergnügungen per Auto nachgehen können. Was sind alle die sogenannten ethischen Bekenntnisse wert, wenn sie so schnell und opportunistisch dem eigenen Vorteilsstreben zum Opfer fallen? Und damit allenfalls noch Erfolg haben? Kennen wir dies nicht auch im eigenen Lande?

Am Frühstücksgespräch werden die Gedanken noch radikaler. Die Klientin, die heute ihre mehrtägige Bewusstseinsarbeit abschliesst, hat infolge ihres Medienentzugs nichts von dem schrecklichen Familien- und Vergewaltigungsverbrechen gehört, das in Österreich aufgedeckt wurde. Ich habe andererseits - auch via Internet - gesehen, wie sich nicht nur die ganz Welt entsetzt - zu Recht! - sondern wie nun die Angelegenheit in all' ihren grausigen Aspekten ausgeschlachtet wird. Das Erzählen und Beschreiben führt die Gedanken weiter:
  • Die Monstergeschichte, je grausiger sie sich darstellt, erleichtert es uns, auf den einmaligen Charakter hinzuweisen, und die Sache als etwas wegzuschieben, das mit uns nichts zu tun hat. Das ist anormal, krank etc. Stimmt!
  • Aber ist nicht auch die Förderung der Luftverschmutzung durch die Senkung der Treibstoffabgabe eine Spielart, die Folgen des Handelns für die Gemeinschaft aus dem Bewusstsein wegzuschieben? Und damit noch Wählerstimmen zu gewinnen? - Und wie ist es mit den interreligiösen Diskursen um einen Gott, dessen Wohlgefallen wir verlieren oder gewinnen, während die Gläubigen in ihrer Verblendung sich selbst und die Häuser der andern in die Luft sprengen?
  • Haben wir es nicht in allen drei Fällen mit einer Verstrickung in die Triebe und Emotionen zu tun? So tief, dass sie das Fühlen, Denken und Handeln aus unserem innersten Wissen verschleiern und bestimmen? Unterschiedliche Formen und Schweregrade - durch unsere derzeitigen Strafgesetze erfasst oder auch nicht - des selben Phänomens: Blindheit für die Wirkungen unseres Tuns auf die Gemeinschaft?
Wir tun gut daran, diesen Blick in die eigene Tiefe zu wagen und die Wirkung der unbewussten Vitalkräfte - samt ihren Konditionierungen und Verletzungen - auf unser Fühlen, Denken und Handeln wahr- und anzunehmen. Auf dass wir sie - nicht durch die Mittel von Strafe und Belohnung - durch die unbedingte Liebe und Weisheit des Herzens zum Sprechen bringen und in ihrer geheilten, versöhnten Gestalt als unentbehrliche und hilfreiche Begleiter in dieser Welt gewinnen.

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