Heute besuchte ich das Seminar „Dialog der Kulturen“ in der Universität Fribourg. Es fand im Rahmen der Veranstaltungen zu Ehren von Hans Küng, dem Initiator des „Projekt Weltethos“, statt, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. Trotz den hohen Verdiensten, die dem Jubilar zukommen, hat mich die Veranstaltung in der Uni Fribourg enttäuscht und ernüchtert. Doch der Reihe nach:
„Was du nicht willst, dass man Dir tu, ….“, die goldene Regel also, die Küng als allen Religionen gemeinsamen Grundsatz gefunden hat, wird im „Projekt Weltethos“ in vier Wirkungsbereiche aufgegliedert, welche die wesentlichen Elemente für einen Frieden in dieser Welt – unter den Menschen und mit dem Planeten – beinhalten: Eine wichtige und weltweit anerkannte Grundlage für global bewusstes Denken und Handeln, ein wert- und verdienstvolles Projekt zum Wohl der Weltgemeinschaft.
Unter dem Titel „Dialog der Kulturen“ sprachen eine Frau und zwei Männer als Vertreter der drei monotheistischen Religionen über die jüdische, christliche und islamische Sicht auf das Weltethos; eine Philosophin steuerte kritische Anmerkungen aus ihrer von Vernunft und Klarheit geprägten Sicht bei. Dabei legten die Vertreter der Religionen Zeugnis ab für die Schwächen des interreligiösen Dialogs, indem jede und jeder die Vorzüge des eigenen Glaubens pries; das Licht des einen Geistes, der hinter den unterschiedlichen Offenbarungen leuchtet, vermochte lediglich als eine göttliche, unser Verhalten bewertende Instanz durch zu schimmern. Ein Weltethos also, den eine höhere Macht uns auferlegt? Nicht innerstes „Wollen“, sich ihrer Gestaltungsfreiheit bewusst werdender, eigenverantwortlicher Weltbürger? Aus einer unbedingten Liebe zum Wunder dieser Schöpfung?
„Wie kommen wir – die Einzelnen und die Gesellschaft – vom Sollen zum Wollen bzw. zum Tun ? Wissen wir doch, was es von uns braucht und tun es nicht?“ fragte ich in die Schlussrunde, das noch Fehlende ansprechend, damit aus dem deklarierten Weltethos auch lebendige Wirklichkeit werde.
Die Antworten waren ernüchternd: Die Vertreter/in der monotheistischen Weltreligionen kamen zurück auf ihre Referate, in denen sie sich - in unterschiedlichen Worten - auf einen Gott berufen hatten, dessen Offenbarung diese ethischen Regeln entsprächen und vor der wir am Lebensende Rechenschaft abzulegen hätten; auch von Plus- und Minuspunkten war die Rede, je nach Art der Absicht oder Tat von je unterschiedlichem Gewicht.
Dementsprechend verstanden die Religionsvertreter unter „Sollen“ die Angst vor Verfehlung und Strafe, unter „Wollen“ das Streben nach göttlichem Wohlgefallen. Damit boten sie der sich auf Vernunft statt Metaphysik berufenden Philosophin ein leichtes Spiel. Die Frage, was es brauche, damit der ethischen Deklaration auch vernunftgeleitetes Tun folge, mochte sie allerdings auch nicht beantworten.
Meine unter vier Augen vorgebrachte Frage, ob denn der von ihr angeführte „tugendhafte Atheist“ - wenn er aus innerem ethischen Empfinden wahrhaftig denke und handle - in Wirklichkeit nicht auch „religiös“ sei, wehrte die Philosophin mit der Bemerkung ab, dass damit der Begriff der „Religion“ schwammig und unfassbar würde.
Ginge es heute nicht gerade darum, eine universelle Trans-Religiosität zu finden, die auf der Gegenwart der unbedingten Weisheit im innersten jedes Menschen beruht? Und wäre der Übergang vom „Sollen“ zum „Wollen“ und zum Tun nicht dort zu finden, wo ein Welt-Ethos im innersten der Menschen lebendig wird? – Der Weg dahin scheint noch weit zu sein?