27. April 2008

.... und anregend: Forum Weltethos in Fribourg

Die gestrige Erfahrung hat mich weiter beschäftigt. Eben las ich noch in Rüdiger Saffranskis "Romantik". Ich hatte ursprünglich mit dem zweiten Teil, "Das Romantische", begonnen, weil mich Saffranskis Auslegung des Weges aus der Romantik in den Nationalsozialismus speziell interessierte. Heute bin ich im ersten Teil des Buches, "Die Romantik", auf die Visionen Johann Gottfried Herders gestossen. Noch in der Vorahnung der französischen Revolution schrieb Herder: Der Denkart der Nationen bin ich nachgeschlichen, und was ich ohne System und Grübelei herausgebracht, ist: dass jede sich Urkunden bildete, nach der Religion ihres Landes, der Tradition ihrerVäter, und den Begriffen der Nationen: dass diese Urkunden in einer dichterischen Sprache, in dichterischen Einkleidungen, und poetischem Rhythmus erscheinen; also mythologische Nationalgesänge vom Ursprunge ihrer ältesten Merkwürdigkeiten.

Basiert nicht auch die Verschiedenheit der Religionen sowie ihre je verschiedenen Gottesbilder auf den ältesten Merkwürdigkeiten der Ethnien und Völker, wie sie sich auf den unterschiedlichen Wegen aus dem gemeinsamen Ursprung des Homo Sapiens in Ostafrika herausgebildet hatten? Und kann ein Weltethos anders wirksam werden als aus dem Wissen um den gemeinsamen Ursprung der Menschheit: sowohl im physischen Sinne, wie ihn die neuere Genforschung nachzeichnet, als auch im geistigen?

Mit anderen Worten: Kann ein Weltethos lebendig werden, wenn nicht aus einem die ganze Schöpfung umfassenden Mitgefühl?

Mit dieser Frage öffnete ich die Internetseite von Ken Wilbers "Integral naked", mich an eine einfache Einführung in die buddhistische Technik des "Tonglen" erinnernd. Hier die einfachen Anweisungen in knappster Form:
  • Verbinde Dich mit der Erfahrung des Einen Seins (bzw. der Gegenwart des Absoluten oder des Urgrundes in Dir)
  • Bringe dieses Verbundensein in den Körper. Atme die Energie der Aussenwelt durch Dein Herz ein und lasse beim Ausatmen die unbedingte Liebe und Weisheit des einen Seins in die Aussenwelt zurückfliessen
  • Wende Dich nun Deinen eigenen Emotionen zu, atme sie ein, als einen über der äusseren Wirklichkeit liegenden Schleier, und atme die unbedingte Liebe und Weisheit des einen Seins aus. Gib' den Emotionen, die Du durch das Herz einatmest nicht mehr Gewicht als dem Rückfluss von Liebe und Weisheit und hafte nicht am Einen oder Andern mit Deinen Gedanken.
  • Erweitere nach und nach das Spektrum Deiner Wahrnehmung auf die Nächsten, dein Dorf, deine Nation, die Erde, die Schöpfung. Atme den Schmerz oder die Emotionen, die Du wahrnimmar ein und lasse die unbedingte Liebe und Weisheit aus dem einen Sein zurückfliessen.
Tonglen ist nicht auf den buddhistischen Kontext angewiesen; es könnte auch ganz anders genannt werden - und vielleicht wäre dies in einem trans-religiösen Sinne auch gut? Ich weiss auch, dass ich dem Ort und den Ursachen des Schmerzes, der durch Tonglen gewandelt wird, nicht nachzusinnen brauche. Je weiter ich in meiner Vorstellung das Spektrum meines Herzens ausdehnen kann, umso weiter wird das Wirkungsfeld von Tonglen. Und ich erlebe eine Vervielfachung der durch mich fliessenden Kraft, wenn ich mich als eines der Millionen von Wesen vorstelle, welche sich dem Wohl der Menschheit und des Planeten aus dem gleichen oder einem verwandten Geist zuwenden.

So bin ich letztlich für die Erfahrung mit dem Forum Weltethos dankbar! Sie hat mich einmal mehr auf die trans-religiöse Dimension verwiesen, in der nach meiner Empfindung der Schlüssel für die Verwirklichung eines lebendigen und umassenden Weltethos liegt. - Dass der Weg dahin ein langer und wohl auch ein schmerzvoller sein kann, hat mir die Kostprobe des interreligiösen Gesprächs ebenfalls eindrücklich vor Augen geführt. Es sei denn, dass die Kraft des vereinigten Mitgefühls einer wachsenden Zahl bewusster Menschen exponenziell zunehme!

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