16. Juni 2008

Pinturicchio in Spello und Beato Angelico in Cortona: Trans-religiöse Erfahrungen

Der Besuch der Pinturicchio-Schau hat uns inspiriert, die Capella Baglione in der Kirche Santa Maria Maggiore in Spello zu besuchen. Von den drei grossen, wandfüllenden Fresken hat jenes mit der Verkündigung meine Aufmerksamkeit gefesselt.

Einem spirituellen Spieltrieb folgend stellte ich mich körperlich hinein, in die Vorstellung der Gestalt Marias, die aus ihrem Blick und der Haltung des Kopfes sprechende Hingabe übernehmend. Dann stellte ich mir die Taube und den von ihr ausgehenden Lichtstrahl als unkörperliches geistiges Phänomen vor, und wie dieser Lichtstrahl meinen Scheitel berühren würde. Mein Freund Ueli machte mich auf den von der Wolke (links oben) herabschauenden "lieben Gott" aufmerksam; als Bild, dem wir heute in einem materiellen Verständnis nicht mehr zu folgen mögen. Meine Antwort, sich hinter diesem Bild das Wunder des Seins vorzustellen, von dem wir uns kein Bild zu machen vermögen, nahm ich gleich mit in mein Experiment hinein: Als Urgrund der Taube und ihres Lichtstrahls. - Ein kühles, zartes Licht umfing mich, änderte meinen Zustand von innen her, in ein stilles, andächtiges Glück. Ich beschrieb mein Spiel auch den beiden Freunden, Ueli und Francie. Ich habe sie (noch) nicht gefragt, wie das für sie war.

Mir ist dabei auf eine andere Weise klar geworden, wie Künstler, die "erfahren" haben, diesen Erfahrung in den Bildern ihrer Kultur und ihrer Zeit Ausdruck geben. Das zeitlose Wirkliche liegt hinter solchen Bildern, die uns auf ihre unaussprechliche Weise zu berühren vermögen.

Ein anderes Beispiel solcher Art mystischer Ausstrahlung vermittelt für mich die Verkündigung von Fra Beato Angelico, die im Museo Diocesano von Cortona hängt. Jedesmal, wenn ich in Cortona bin, lasse ich mich von diesem besonderen Bild wieder neu berühren.

Wie der Engel mit Bestimmtheit auf das Herz Marias zeigt, aus dem das Neue - die Eine Liebe: das ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben - geboren werden will, berührt mich immer wieder ganz unmittelbar. Vermöchte diese Maria - für mich: Ausdruck des allumfassenden Weiblichen - der männlichen Kraft dieses Engels zu widerstehen?

Und: Könnten wir "Kultur" definieren, als die Art und Weise, wie sich das Eine in Bildern - auch in Musik oder Worten - ausdrückt, die dem jeweiligen Erfahrungsraum der Menschen entsprechen?

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